Daniel Defoes Leben war genau so aufregend und turbulent wie das seines berühmtesten Romanhelden, Robinson Crusoe. Vielleicht noch aufregender, denn während Crusoe 28 Jahre auf einer einsamen Insel verbringt, fand sich Defoe in ganz verschiedenen Rollen und Orten in der englischen Gesellschaft wieder: als Händler von Luxusgütern, als Geheimagent für den König, als Ehemann und Vater von acht Kindern, als Rebell im Gefängnis, als Kämpfer gegen soziale Ungerechtigkeit, als politischer Journalist, als mehrfacher Bankrotteur, als Unternehmer und Publizist – und als der erste Bestseller-Autor eines Romans.
Daniel Defoe wurde 1660 als Sohn eines wohlhabenden Händlers in London geboren. Als Kind erlebte er die Grosse Pest von London 1665 und verarbeitete die traumatischen Erinnerungen daran in dem fiktionalen Tagebuch A Journal of the Plague Year (1722). Eigentlich für eine Karriere als Geistlicher erzogen, heiratete Defoe im Jahr 1684 und wurde Kaufmann. Er handelte mit Waren aus und nach den englischen Kolonien in Amerika, importierte aber auch Wein, Lebensmittel und Textilien aus Frankreich, Italien, Spanien und Holland, wohin er auch selbst Handelsreisen unternahm. Nachdem sein Geschäft 1692 bankrott gegangen war, wandte sich Defoe Schriftstellerei und Journalismus zu. In seinen Essays beschäftigte er sich mit den politischen, wirtschaftlichen und religiösen Fragen seiner Zeit. Er schrieb nicht nur über Politik, sondern war auch in einen politischen Aufstand verwickelt und wurde später Geheimagent für den König. Wegen seiner beissenden Satiren gegen das politische Establishment wurde Defoe 1703 verhaftet, an den Pranger gestellt und zur Zahlung einer hohen Geldstrafe verurteilt, die ihn wiederum an den Rand des Bankrotts brachte. Trotz wiederholter Gefängnisstrafen wegen seiner politischen Ansichten und auch wegen hoher Schulden etablierte Defoe sich als anerkannter Journalist und Publizist. Sein Werk umfasst mehrere Hundert Schriften, darunter Pamphlete, Aufsätze, Zeitschriften und Romane.
Erst im Alter von fast sechzig Jahren veröffentlichte Defoe seinen ersten Roman, The Strange and Surprising Adventures of Robinson Crusoe (1719), eine Abenteuergeschichte, die vom Schicksal des gestrandeten Seemanns Alexander Selkirk inspiriert wurde. Robinson Crusoe wurde über Nacht ein Bestseller, und Defoe produzierte in rascher Abfolge zwei Fortsetzungen. Auf die höchst erfolgreichen Robinson-Geschichten folgten weitere Abenteuerromane wie Captain Singleton (1720), dessen Held zum Piraten wird und nicht nur die sieben Weltmeere durchsegelt sondern auch Afrika zu Fuss durchquert; oder fiktive Memoiren wie die des durch kriminelle Geschäfte reich gewordenen Waisen Colonel Jack (1722), der Prostituierten und Überlebenskünstlerin Moll Flanders (1722), die in den Amerikanischen Kolonien ihr Glück macht, oder der Kurtisane Roxana (1724), die als schöne aber mittellose junge Witwe in der Gesellschaft aufsteigt, indem sie zur Geliebten einer Reihe reicher Männer wird (und mittels deren Reichtum sie ein eigenes Unternehmen aufzieht). Defoe gilt als einer der Vorreiter des englischen Romans. Sein vom Journalismus geprägter, detailreicher Schreibstil war gepaart mit sozialkritischen Themen, aufregenden Handlungen und aussergewöhnlichen Figuren.
In den letzten zehn Jahren seines produktiven Lebens als Schriftsteller verfasste Defoe vor allem Sachliteratur wie Handbücher und Reiseführer; eines seiner bekanntesten Werke ist der gross angelegte Reiseatlas A tour thro’ the whole island of Great Britain (1724–1727). Andere Bücher beschäftigten sich kritisch mit dem Niedergang der gesellschaftlichen Ordnung oder mit übernatürlichen Erscheinungen. Daniel Defoe starb am 24. April 1731 im Alter von neunzig Jahren. Er liegt in Bunhill Fields, London, bestattet. 1870 wurde ihm zu Ehren dort ein Monument errichtet, das Defoe als den Autor von Robinson Crusoe würdigt.
Text: Isabel Karremann
Quellen:
- Furbank, Philip Nicholas, and W.R. Owens. A Political Biography of Daniel Defoe. New York: Routledge, 2015.
- Richetti, John. The Life of Daniel Defoe: A Critical Biography. Oxford: Wiley-Blackwell, 2005.